© Bild Transit (c) Schramm Film

Kino im Salon | Erlesene Filme: Transit

Mittwoch, 19 APR 2023
19:30 Uhr

Beschreibung

Licht aus und Film ab – einmal im Monat zeigt das Kultur: Haus Dacheröden ausgewählte Literaturverfilmungen mit kurzer Einführung.  Wer eine intime, gemütliche Atmosphäre einem großen Kinosaal vorzieht, ist hier genau richtig. Gäste können den Film bei Kerzenschein, einem kühlen Getränk und ein paar Snacks genießen. Präsentiert werden Verfilmungen klassischer und zeitgenössischer Literatur – von „Tschick“ bis „Nackt unter Wölfen“, von neu bis alt. Hier ist für jeden etwas dabei. Eine kurze Einführung vor Beginn der Vorstellung gibt einen Überblick über die Hintergründe des Filmes. Sie sind herzlich eingeladen!

Den Deutschen Georg (Franz Rogowski) hat es auf der Flucht vor den Faschisten bis nach Paris verschlagen, wo er für einen Freund zwei Briefe an den ebenfalls flüchtigen Schriftsteller Weidel übergeben soll. Aber als Georg das Hotelzimmer betritt, ist das ganze Bad voller Blut, offenbar hat sich Weidel kurz zuvor das Leben genommen. Auf dem Schreibtisch liegt noch ein Brief von Weidels Frau, die ihn bittet, möglichst bald zu ihr nach Marseille zu kommen, die Visa für die Ausreise würden dort bereits für sie bereitliegen. Georg entscheidet sich, selbst nach Marseille zu reisen und dort unter Weidels Identität bei den entsprechenden Botschaften aufzutreten. Während Georg auf die nötigen Transitvisa wartet, trifft er unter anderem auf einen Arzt (Godehard Giese), der eigentlich schon längst in Mexiko sein wollte, aber nun doch noch warten muss, bis auch seine Freundin Marie (Paula Beer) ihre Papiere beisammen hat…

Die Parallelen zwischen der damaligen und der heutigen Situation von Flüchtlingen liegen auf der Hand. Aber weit über diese recht simple politische Erkenntnis hinaus erweist sich die Verlagerung der Handlung in ein modernes Setting als wunderbar ergiebiges und vielseitiges Kinoexperiment. Was sorgt eigentlich genau dafür, dass man als Zuschauer vollständig in eine Welt abtauchen kann? Ist es nur die Handlung? Sind es auch die Figuren? Und was ist mit den Kulissen? In „Transit“ ändert sich dieser Grad des Abtauchens oft von Szene zu Szene – und es ist überaus spannend, im Nachhinein zu analysieren, wann der Graben zwischen dem Geschehen und dem Setting für einen ganz persönlich womöglich unüberwindbar groß wurde und wann er sich vielleicht sogar lückenlos schloss. Auf jeden Fall war ich verdammt fasziniert und überrascht, wie sehr es mich trotz des heutigen Settings doch immer wieder aus dem Film herausgerissen hat, wenn über die modernen Schauplätze hinaus plötzlich noch weitere Hinweise auf Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg auftauchen, etwa als im Off-Kommentar (wie im Roman von einem unbekannten Erzähler) offensichtlich auf George A. Romeros Zombie-Klassiker „Dawn Of The Dead“ angespielt wird.

Ein wenig scheint Franz Rogowski („Love Steaks“) sogar so zu gehen, als würde er hier nicht in einer modernen Meta-Erzählung, sondern tatsächlich in einem Schwarzweißfilm aus den 1940ern mitspielen. Während die wiederholten Botschaftsbesuche trotz der Tragik der ganzen Situation auch etwas Komisches irgendwo zwischen Franz Kafka und der Passierschein-Episode aus „Asterix erobert Rom“ an sich haben, entwickelt sich „Transit“ anschließend immer mehr zu einem Noir-Melodram um eine Dreiecksbeziehung, die in Wahrheit eigentlich sogar eine Vierecksbeziehung zwischen drei Menschen und einem Geist ist – und Geister zählen ja nicht nur in „Gespenster“ zu den zentralen Motiven in Petzolds Filmen.

Statt seinen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Transit“ während des Zweiten Weltkriegs spielen zu lassen, der Zeit des 1944 erstveröffentlichten Gegenwartsromans von Anna Seghers, verortet Christian Petzold seine Adaption stattdessen im heutigen Frankreich. Damit wendet er sich in dieser Phase seiner Regiekarriere offenbar immer mehr dem Konzeptkino zu – und liefert mit „Transit“ erneut ein faszinierendes Filmexperiment

Quelle: filmstarts.de

Die Einführung in den Film übernimmt die Erfurter Filmemacherin und Kuratorin der Reihe „Kino im Salon“ Susanne Aßmann.



Veranstalter Informationen
Tel: +49 361 644 123 75
Erfurter Herbstlese - Anger 37, 99084 Erfurt

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